Singing by heart
Das ist nicht nur die englische Übersetzung für „auswendig singen“, sondern beschreibt auch ausgezeichnet, was wir auf unserer Chorreise in Vilnius (Litauen) erlebt haben – nämlich Singen mit dem Herzen.
Vom 13.07. bis 24.07.2022 waren wir in Vilnius zum internationalen Kinder- und Jugendchorfestival „Europa Cantat Junior“ und es war unglaublich schön… Doch von Anfang an… Am Mittwoch, den 13.07., trafen wir uns am Berliner Flughafen, um uns auf eine lang vorbereitete Reise zu begeben. Im Gepäck hatten wir viele schöne Lieder, darunter auch das litauische Lied „Baltas paukstis“, und extrem viel Vorfreude und Neugier auf das, was kommt. Als wir am Abend sicher in unserer Unterkunft angekommen waren, gab es für alle noch Pizza. Wir saßen auf dem Flur vor unseren Zimmern, aßen, unterhielten uns und lachten sehr viel. Der erste Abend klang so aus und läutete unsere erste Nacht in Vilnius ein.
Am nächsten Morgen gab es Frühstück und wir machten uns danach auf den Weg nach Trakai. Das Festival begann erst am Freitag und so nutzten wir den Donnerstag und das schöne Wetter, um die Wasserburg in Trakai zu besuchen. Es war ein unglaublich schöner Tag. Die Natur um uns herum war so grün und das Wasser weckte die Vorfreude auf’s Bootfahren. Der Spaziergang zur Burg bot viele Möglichkeiten, um miteinander ins Gespräch zu kommen und einander besser kennenzulernen. Im Laufe der Reise zeigte sich, was bereits an diesem Tag zu sehen war: Es ist vollkommen egal, ob 8 Jahre oder 21 Jahre jung – alle verstehen sich ausgezeichnet miteinander und es wurden neue Freundschaften geschlossen. Als wir am frühen Abend wieder zurück in der Unterkunft waren, gab es noch ein improvisiertes Abendbrot auf dem Flur.
Am nächsten Vormittag erkundeten wir Vilnius oder zumindest einen kleinen Teil – sprich das Tor der Morgenröte, die Bastion und ein vegetarisches Yoga-Restaurant, das für eine super leckere Stärkung vor der anstehenden Probe sorgte. Nachdem wir uns für das Festival vor Ort angemeldet und die entsprechenden Informationen und Goodie Bags bekommen hatten, probten wir im Teachers House für unser Begegnungskonzert am 17.07. Die Probe war wichtig, denn es war die erste und einzige Probe, in der alle Chormitglieder, die am Sonntag gemeinsam auf der Bühne standen, anwesend waren. Nach der Probe begaben wir uns zum Opening Dinner, in dessen Anschluss alle Chöre gemeinsam tanzten. Ein sehr gelungener Auftakt zum Festival.
Am Samstagvormittag stand unsere erste Atelierprobe mit Basilio Astulez an. Der gebürtige Baske sprühte vor Energie und guter Laune – das war „ansteckend“. Wir alle waren von seiner Art zu proben, seinem Strahlen und seinem gesamten Wesen beeindruckt und begeistert. Es machte unglaublich viel Spaß mit ihm gemeinsam an einem Ziel – dem Abschlusskonzert am 23.07. – zu arbeiten und zu merken, wie von Tag zu Tag jede*r über sich hinauswächst und gleichzeitig aus den einzelnen Individuen EIN Ensemble wird. Nach der dreistündigen Probe strömten alle Chöre zum Essenszelt, wo immer das Mittag- und Abendessen stattfand. Jeden Tag um 14.30 Uhr fand das Open Singing statt, bei dem alle Chöre zusammenkamen und eine dreiviertel Stunde lang unter Anleitung von zwei Chorleitern sangen. Das sorgte immer für ausgelassene Stimmung. Die Nachmittage bis zum Abendessen gestalteten wir immer mit Freizeit, sodass wir Zeit hatten uns in Kleingruppen die Stadt genauer anzusehen, Eis essen zu gehen, shoppen zu gehen, und und und… Nach dem gemeinsamen Abendessen fand das Eröffnungskonzert in der Philharmonie statt, bei dem vier litauische Knabenchöre ihr Land musikalisch in einem großen Werk vorstellten.
Der Sonntag unterschied sich vom Ablauf ein wenig von den anderen Ateliertagen, da am Abend unser Choir-to-Choir-Konzert stattfand. Basilio sorgte am Vormittag mit der Atelierprobe dafür, dass wir gut eingesungen und voller Energie in den Tag starteten. Das Festivalmittagessen ließen wir ausnahmsweise ausfallen. Stattdessen gab’s Wraps in unserer Unterkunft und anschließend nochmal kurz die Möglichkeit sich hinzulegen. Am Nachmittag sahen wir zum ersten Mal die St. Catherine’s Church von innen, in der wir am Abend sangen. Ein „Wow“ ging durch den Chor, als wir die Kirche betraten. Sie war unglaublich schön und wir freuten uns HIER singen zu dürfen. Die Generalprobe lief ganz gut und wir stärkten uns noch mit dem Abendessen im Essenzelt, bevor unser Konzert losging. Um 19.30 Uhr war es dann soweit. Mit uns auf der Bühne stand der Knaben- und Jugendchor „Azuoliukas“ aus Vilnius. Wir eröffneten mit unserem Programm das Konzert und zeigten, dass wir trotz oder gerade weil wir so wenige Sängerinnen auf der Bühne waren, aus vollem Herzen sangen. Das Highlight des Konzertes war das Lied „Baltas paukstis“, das wir mit dem anderen Chor gemeinsam sangen. Nach und nach gingen im Publikum immer mehr Taschenlampen an, die sich im Takt mitbewegten. Einige im Publikum sangen auch mit. Wir waren sehr berührt von diesem einzigartigen Moment und überglücklich. Nach dem Konzert musste natürlich gefeiert werden und so ließen wir den Abend in der Crêperie ausklingen.
Am nächsten Morgen waren wir natürlich alle müde von dem langen und bewegenden Abend zuvor, doch Basilio weckte uns in der Atelierprobe auf und kitzelte wieder alles, was wir geben konnten, aus uns heraus. In unserem Atelier waren im Übrigen noch ein litauischer Chor und einige Mitglieder aus einem Dresdner Chor. Am Ende dieser dritten Atelierproben hatten wir drei Lieder mit Bewegungen angesetzt. Nach dem Mittagessen und dem Open Singing verstreuten wir uns wieder in kleinen Gruppen in der Stadt und machten das, worauf wir Lust hatten. Zum Abendessen trafen wir uns wieder und hörten uns anschließend das zweite Begegnungskonzert des Festivals an.
Der Dienstag war unser freier Tag. Keine Atelierprobe, kein Open Singing, nur das Abschlusskonzert des kurzen Ateliers am Abend, das wir uns anhörten. Und so nutzen wir Tag, um ein wenig länger zu schlafen und dann die Gediminas-Burg in Vilnius zu besichtigen, und dessen Turm zu besteigen. Es war ein atemberaubender Ausblick von dort oben. Zum Mittagessen gingen wir wieder in das vegetarische Yoga-Restaurant, weil es uns allen so gut geschmeckt hatte und am Nachmittag erkundeten wir in zwei Gruppen die grüne Seite der Stadt. Schaukeln, über Bäume klettern und im Botanischen Garten sitzen – es war einfach nur schön. Nach dem Abendessen besuchten wir das Abschlusskonzert des viertägigen Ateliers, indem Kinder zwischen 7 und 10 Jahren mitwirkten.
Am nächsten Vormittag stand wieder eine Atelierprobe auf dem Programm und wir freuten uns sehr, als Basilio am Ende der Probe fragte, ob wir das japanische Stück „Aizu Bandai San“ einstudiert haben. Denn wir wollten gerne mehr als nur die drei bisherigen gemeinsam gearbeiteten Stücke aufführen. Wir hatten „Blut geleckt“. Und so suchten wir uns nach dem Mittagessen ein schattiges Plätzchen und probten für den nächsten Vormittag „Aizu Bandai San“ und wiederholten und sicherten „Ma navu“. Anschließend gab es wieder Freizeit und nach dem Abendessen ging es für uns zurück in die Unterkunft, wo wir noch vor dem Spiegel für „A puppet’s dream“ übten und den Abend gemeinsam ausklingen ließen.
Am Donnerstag fand die vorletzte reguläre Atelierprobe statt und wir setzten nicht nur „Aizu Bandai San“ neu an, sondern fingen auch an, die einzelnen Stücke miteinander zu verbinden. Das war etwas komplett Neues für uns. Bisher kannten wir Chorkonzerte hauptsächlich als Wechsel zwischen Lied und Applaus, Lied und Applaus. Doch Basilio verknüpfte die Lieder so miteinander, dass daraus ein großes Gesamtkunstwerk wurde. Das war sehr beeindruckend. Und das Üben am Vortag hatte sich gelohnt… Wir beschlossen gemeinsam „Aizu Bandai San“ am Samstag beim Abschlusskonzert aufzuführen. Es folgten wieder Mittagessen, Freizeit, Abendessen und das letzte Begegnungskonzert, das wir uns anhörten.
Der Freitag begann wieder mit einer Atelierprobe, in der nun die letzten Feinheiten geübt und geprobt wurden – die Übergänge zwischen den Liedern, Bewegungen, einzelne Stellen in den Liedern – wir alle wollten, dass es so gut, wie möglich wird, oder besser gesagt, dass es perfekt wird. Der Probenraum war gefüllt von Konzentration, Spannung und Energie und wir gaben alles, was wir geben konnten. Nach dieser anstrengenden Probe stärkten wir uns im Essenszelt und nutzten dann den Nachmittag, um individuell Kraft zu tanken. Zum Abendessen trafen wir uns wieder und gingen danach zurück in die Unterkunft, in der wir eigenverantwortlich noch einmal das gesamte Programm für morgen probten.
Am Samstagvormittag stand vor allem die richtige Aufstellung für das Konzert am Abend im Mittelpunkt. Basilio sagte selbst von sich, dass er bekannt dafür sei, Aufstellungen zu basteln. Nachdem jede*r wusste, wann sie/er, wo zu stehen hat, übten wir noch einmal die Übergänge zwischen den Liedern und anschließend machten wir einen Gesamtdurchlauf ohne Stühle im Probenraum. Es gab eine kurze Mittagspause und dann folgte die Generalprobe in der Kirche. Nach der Probe setzten wir uns in den Schatten und machten uns schick für das Konzert. Es gab noch Abendessen und dann ging’s auch schon los. Nur noch schnell umgezogen und schon standen wir auf der Bühne und präsentierten unsere vier Stücke als Gesamtkunstwerk. Wir bekamen Standing Ovations und hörten uns danach die anderen Atelierkonzerte an. Wir beendeten den Tag mit einem gemeinsamen Eis nach dem Konzert und verabschiedeten uns von Vilnius mit „Baltas paukstis“, das wir auf der Straße sangen.
Am Sonntagvormittag veranstalteten wir im Garten der Unterkunft noch ein Fotoshooting, bevor es für uns zum Flughafen ging.
Die Reise war für uns alle unglaublich inspirierend und wertvoll. Wir haben uns untereinander noch viel besser kennengelernt, haben viele andere tolle Menschen kennengelernt, sind gemeinsam gewachsen und haben unglaublich viel gelernt.
Wir danken allen Unterstützern, die dazu beigetragen haben, dass wir überhaupt reisen konnten. Ein ganz besonderer Dank geht an die „Con moto foundation“, den Lions-Club Berlin-Hohenschönhausen und den Freundeskreis des Clara-Schumann-Kinderchores e.V.
Das, was wir auf dieser Reise erlebt haben, werden wir niemals vergessen. Und da die Reise und die Teilnahme an dem Festival so bereichernd für uns waren, sind wir auch schon am Überlegen, ob wir im nächsten Jahr wieder an dem Festival „Europa Cantat Junior“ in Gent teilnehmen.